Psychotherapie als Persönlichkeitsentwicklung

Geht es mir überhaupt schlecht genug für eine Psychotherapie?

Obwohl die Psychotherapie großes Potenzial hat, die Persönlichkeit zu entwickeln, wird sie oft ausschließlich als Krankenbehandlung wahrgenommen.

Viele Menschen werden natürlich von Symptomen in die Psychotherapeutische Praxis geführt.

Depressionen, Ängste oder auch eine Unzufriedenheit mit der persönlichen Lebenssituation sind der Anlass, dass eine Psychotherapie in Betracht gezogen wird.

Manchmal wird mir dann beim Erstgespräch die Frage gestellt: Geht es mir überhaupt schlecht genug? 

Meine Antwort könnte dann sein: Wenn Sie das Bedürfnis haben, etwas zu verändern, ist das Grund genug.

Oder auch: Man muss nicht am Boden liegen, um sich Unterstützung zu holen.


Personzentrierte Psychotherapie als Persönlichkeitsentwicklung

Besonders die personzentrierte Psychotherapie hat eine lange Tradition, den therapeutischen Prozess als Entwicklung der Persönlichkeit zu betrachten.

Ihr Gründer Carl Rogers hat im Laufe der Jahre eine Entwicklung vollzogen die er folgendermaßen beschreibt: "(...) dass ich in den ersten Berufsjahren die Frage gestellt habe: Wie kann ich diesen Menschen behandeln oder heilen oder verändern? Heute würde ich die Frage so stellen: Wie kann ich eine Beziehung herstellen, die dieser Mensch zu seiner eigenen Persönlichkeitsentfaltung benutzen kann?"

So ergeht es auch oft Klient:innen, die zuerst von Symptomen in die psychotherapeutische Praxis geführt wurden, dass sie im Laufe der Therapie auch den Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung erkennen und schätzen lernen.

Therapien werden dann auch weiter geführt, wenn der ursprüngliche Leidenszustand verschwunden ist, weil man die persönlichen Entwicklungen schätzen gelernt hat und davon profitiert.


Welche Entwicklungen der Persönlichkeit beobachten wir?

Besonders bei längerfristigen Psychotherapien kommt es sehr häufig zu emanzipatorischen Prozessen, zu Erweiterung der Problemlösungskompetenz, zu mehr Selbstakzeptanz, Autonomie und Flexibilität.

Der Psychotherapeut Carl Jung hat die Psychotherapie auch als Möglichkeit verstanden mit sich zu experimentieren:

"Mein Ziel ist es, einen psychischen Zustand zu bewirken, in dem mein Patient mit seiner eigenen Natur zu experimentieren beginnt- einen Zustand des Fließens, der Veränderung und des Wachsens, in dem nichts länger unabänderlich fixiert und hoffnungslos versteinert ist".

So ist es legitim und sinnvoll dieses Potenzial einer Psychotherapie auch zu nutzen, um persönlich zu wachsen und auch bisher verborgenen Teilen des eigenen Selbst die Möglichkeit zur Entfaltung zu geben.


Silvia Kessler-Eckhart, Psychotherapeutin, 1030 Wien