Stress und Autogenes Training

Stress bezeichnet einen Zustand, in dem sich Körper und Geist in einem hoch aktivierten Zustand befinden. Stressreaktionen dienen seit jeher dazu, den Körper in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen, wenn wir Bedrohungen ausgesetzt sind.

Warum Autogenes Training?

In der modernen Welt, werden Stressreaktionen häufig auch von Reizüberflutung sowie von Zeit- und Leistungsdruck ausgelöst.

Gelegentlicher Stress gehört zum Leben und hilft uns Herausforderungen zu bewältigen. Werden jedoch die dringend nötigen Phasen der Entspannung vernachlässigt, bleibt der Organismus dauerhaft überaktiviert und Folgen für Körper und Psyche stellen sich ein.

Autogenes Training als Entspannung ist hier eine Möglichkeit regulierend einzugreifen und eignet sich einerseits als "Erste Hilfe" bei hoher Stressbelastung, aber auch als präventiv wirksame Methode um trotz hoher Anforderungen in einem möglichst augeglichenen Zustand zu bleiben.

Was passiert bei Stress im Körper?

Wenn wir vor Herausforderungen stehen, wird im vegetativen Nervensystem der sogenannte "Sympathikus" aktiviert. 

Botenstoffe wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol werden vermehrt ausgeschüttet. Der gesamte Organismus wird darauf ausgerichtet, die aktuelle Herausforderung zu bewältigen.

Die körperlichen Folgen sind etwa eine vermehrte Muskelanspannung, erhöhter Blutdruck, schneller Pulsschlag und erhöhter Blutzuckerspiegel.

Langfristig schwächt eine dauerhaft erhöhte Stressbelastung das Immunsystem und Folgekrankheiten im Bereich des Stoffwechsels und des Herz/ Kreislaufsystems sind häufig.

Auch die Funktionsweise des Gehirns wird durch eine dauerhafte Aktivierung des Sympathikus beeinträchtigt und Stress beeinflusst die Art zu denken. Reaktionen erfolgen instinktiver und rascher, allerdings weniger überlegt und weitsichtig.

Lang anhaltender Stress hat dadurch auch häufig zur Folge, dass es schwer fällt, sich aus dem "Hamsterrad" zu befreien, weil langfristig handlungsorientiertes Denken bereits beeinträchtigt ist. Man erkennt keinen Ausweg aus der Situation und funktioniert einfach weiter.

Hier ist Autogenes Training eine Möglichkeit durch Regulierung der Stressreaktion auch wieder mehr Lösungsorientierung und Handlungsfähigkeit zu erlangen.

Daher macht es für mich auch in der psychotherapeutischen Praxis häufig Sinn, bei hoher Stressbelastung auch Autogenes Training in den therapeutischen Prozess zu integrieren.


Folgen von Stress für die Psyche

Dauerhafter Stress schwächt das Gefühl für sich und die eigenen Bedürfnisse. Was häufig dazu führt, eigene Grenzen immer weiter auszudehnen. Das hat nicht nur Folgen für den Körper, sondern auch für die Psyche.

Man beginnt etwa "strenger" zu sich zu werden und eigene Bedürfnisse zu vernachlässigen. 

Häufig stellt sich mit der Zeit ein Gefühl der Überforderung und der Hilflosigkeit ein. Man hat das Gefühl, der Situation ausgeliefert zu sein.

Hilflosigkeit und Ausgeliefert sein, erzeugt wiederum psychischen Stress.

  • Burnout
  • Depression
  • Panikattacken

sind mögliche Folgen einer dauerhaft hohen Stressbelastung.

Verminderte Empathie, häufige Gereiztheit und eine reduzierte Fähigkeit zur Konfliktlösung können auftreten und Beziehungskonflikte verursachen oder verstärken.

Oftmals entsteht durch Überforderung auch ein gesteigertes Rückzugsbedürfnis, das wiederum den Abbruch von Beziehungen zur Folge haben kann.


Wie wirkt Autogenes Training?

Autogenes Training stärkt bei regelmäßiger Anwendung den "Parasympathikus". Dieser Teil des vegetativen Nervensystems ist zuständig für Entspannung und Regeneration.

Ein gestärkter Parasympathikus sorgt für eine verbesserte Fähigkeit des Organismus mit Stress umzugehen und sich wieder zu regenerieren.

Als "Erste Hilfe" bei bereits bestehender hoher Stressbelastung, kann bei regelmäßiger Anwendung häufig bereits nach wenigen Wochen eine spürbaren Verbesserung der Befindlichkeit wahrgenommen werden.

Autogenes Training kann sowohl im Einzelsetting als auch in der Gruppe erlernt werden. Einzeltraining ermöglicht individuelles Eingehen auf die spezifische Situation.

Obwohl viele Angebote auf youtube zu finden sind, empfehle ich Autogenes Training bei einer dafür ausgebildeten Fachperson zu erlernen.

In Österreich sind Psychotherapeut:innen, klinische Psycholog:innen sowie Ärzt:innen mit einer entsprechenden Weiterbildung dazu berechtigt.

Autogenes Training kann als eine Form der Selbsthypnose verstanden werden. 

In 6-7 Einheiten werden formelhafte Suggestionen vermittelt, die die Entspannung des Organismus fördern.

Besonders bei vorbelasteten Personen können Suggestionen manchmal auch zuerst  zu Unwohlsein führen, da unser Körpergedächtnis belastende Situationen abspeichert und darauf reagiert. 

Jede Form von Unwohlsein stört jedoch den Prozess der Entspannung und verhindert, dass das volle Potenzial der Suggestionen ausgeschöpft wird.  Meist ist dies durch eine kleine Anpassung der jeweiligen Formel leicht zu beheben.

Erlernen Sie daher Autogenes Training am besten bei einer dafür ausgebildeten Fachperson, damit inividuell auf Sie eingegangen werden kann!


Autogenes Training in der Gruppe und im Unternehmen

Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung stellt Autogenes Training eine geeignete Möglichkeit dar, die Gesundheit der Mitarbeiter:innen zu fördern.

Wichtig für den Erfolg sind die Freiwilligkeit der teilnehmenden Mitarbeiter:innen sowie die möglichst regelmäßige Teilnahme der einzelnen Mitarbeiter:in.

Da Autogenes Training prozesshaft und aufbauend erlernt wird, ist ein Zeitraum von 6-7 Wochen sinnvoll, in dem einmal wöchentlich ca. 50 min Autogenes Training erlernt wird.

Kleingruppen bis zu 10 Personen ermöglichen ein individuelles Eingehen auf den einzelnen Lernprozess.


Autogenes Training und Psychotherapie

Autogenes Training als Entspannungsmethode ist bei hoher Stressbelastung besonders wirksam in Verbindung mit einer längerfristig ausgerichteten Psychotherapie.

Autogenes Training bringt meist innerhalb weniger Wochen eine spürbare Reduktion der akuten Stressbelastung.

Persönliche Themen wie "Grenzen ziehen", "Nein- sagen", hohe Leistungsanforderungen, Perfektionismus etc. benötigen jedoch meist eine tiefergehende Auseinandersetzung um langfristig und nachhaltig eine Grundlage dafür zu schaffen auf eigene Grenzen zu achten und Stressbelastung dauerhaft zu reduzieren.


Silvia Kessler-Eckhart, Psychotherapeutin, 1030 Wien